Klinikhebammen

Kreißsäle, die vorübergehend oder ganz geschlossen werden. Geburtenstationen die akute Personalnotstände aufweisen, Hebammen die permanent zusätzlich Dienste übernehmen müssen, weil andere Kolleginnen krankheitsbedingt ausfallen oder vakante Stellen nicht besetzt werden können, hohe Geburtenraten, zunehmende administrative Aufgaben, fernab von jeder originären Hebammenarbeit, Hebammen die zur Reinigungkraft benutzt werden, um Personal zu sparen, mangelnde Wertschätzung, unangemessene Entlohnung, eine Geburtshilfe die oft einhergeht mit unnötigen Interventionen…die Liste der Gründe für die Kreißsaalflucht ist lang und das Problem vielfältig.

Viele Kolleginnen sind verzweifelt und wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen, und benötigen neben der emotionalen Unterstützung auch konkrete Empfehlungen, was zu tun ist.

Handlungsempfehlungen für angestellte Hebammen:
Was tun bei Arbeitsüberlastung und Personalmangel im Kreißsaal?

1. Hebammenteam

Die Erfahrung zeigt, dass sich in Kreißsälen am ehesten Änderungen durchsetzen lassen, wenn die Hebammen als Team geschlossen gegenüber dem Klinikträger oder anderen Verantwortlichen auftreten. Wenn Sie Veränderungen erreichen wollen, sollten Sie Forderungen aufstellen, die Sie konsequent gemeinschaftlich vertreten.

  • Halten Sie regelmäßige Teambesprechungen zum Austausch unter den Hebammen ab. (die Termine langfristig festlegen, eine Tagesordnungerstellen, Protokoll schreiben, die Ergebnisse kontrollieren, diejeweils Verantwortliche festlegen).
  • Listen Sie die bestehenden Probleme gemeinsam auf.
  • Daraus ergeben sich konkrete Forderungen an die Verantwortlichen.
  • Verschriftlichen Sie diese Forderungen und unterzeichnen Sie diese möglichst alle.
  • Priorisieren Sie Ihre Forderungen nach Dringlichkeit und Durchsetzbarkeit. Es ist
  • sinnvoller, die Forderung nach Besetzung von freien Hebammenstellen etwas zurückzustellen, wenn die Klinik bereits sehr aktiv ist, diese zubesetzen. Andere entlastende Maßnahmen könnten dann mehr im Vordergrund stehen.
  • Übergeben Sie den Forderungskatalog an die Verantwortlichen in Ihrer Klinik. Laden Sie sie zur Teambesprechung ein und sprechen Sie über die bestehenden Probleme. Wenn dies nicht möglich ist, senden Sie dieForderungen an die Klinikleitung mit Kopien an Ihre Mitarbeitervertretung, mit Frist zur Rückmeldung. Geben Sie eine Ansprechpartnerin an, eine Kollegin aus dem Team oder die leitende Hebamme.
  • Vereinbaren Sie feste, messbare Zusagen mit Termin (z.B. Stellenanzeige wird imSeptember in relevanten Hebammenzeitschriften veröffentlicht) und zeigen Sie Konsequenzen auf (verweisen Sie auf Dienst nach Vorschrift und regelmäßig auf Arbeitszeitgesetz, Betriebsvereinbarungen, etc.). Lassen Sie sich zu Details von Ihren Landesvorsitzenden beraten.
  • Hilfreich ist es, wenn Sie neben der Bewältigung der bestehenden Problemegemeinsame Visionen bzw. Ziele für die Arbeit im Kreißsaalentwickeln, z.B. Hebammenkreißsaal anvisieren, Expertinnenstandard einführen, …).
  • Sollten Sie sich in Ihrem Team nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, kann eine professionelle Moderation eine hilfreicheLösung sein. Außerdem können Sie eine Vertreterin von verdi, des Betriebsrates oder der Mitarbeitervertretung in IhreDienstbesprechung einladen und Ihre Situation schildern. Lassen Sie sich über Rechte und Pflichten aufklären.

2. Tipps für mögliche Forderungen an die Klinikbetreiber:

Stellenanzeigen: sind offene Stellen auf der hausinternen Internetseite ausgeschrieben? Werden regelmäßig Stellenanzeigen im „Hebammenforum“ des DHV und anderen Hebammenzeitschriften geschaltet? Sind diese attraktiv gestaltet? Werden den interessierten Kolleginnen Angebote unterbreitet? Sind freie Stellen auch bei den zuständigen Arbeitsämtern gemeldet?

Alternative bzw. flexible Arbeitszeiten: gibt es Kolleginnen im Umkreis, die aufgrund von Kinderbetreuung oder Angehörigenpflege nur zu „eingeschränkten“ Arbeitszeiten arbeiten würden? Flexibel gestaltete Arbeitszeiten könnten Entlastung bringen.

Reinigungsdienst: fordern Sie einen 24-stündigen Reinigungsdienst an sieben Tagen in der Woche.

Hilfskräfte für berufsfremde Tätigkeiten bei der Verwaltung fordern: bspw. für die Apothekenbestellung, das Bestellwesen allgemein, Schreibkräfte (z.B. medizinische Fachangestellte) für die Eingabe von Basisdaten, Telefondienste, Verlegung von Schwangeren oder Wöchnerinnen aus dem Kreißsaal, für kleine pflegerische Tätigkeiten (z.B. Hilfe beim Waschen, Begleitung zur Toilette oder Dusche) oder auch für Kurierdienste, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen für Intensivüberwachungen.

Arbeitsabläufe überprüfen und verändern: bspw. feste Anmeldezeiten einführen, Kolleginnen nur für Aufnahme/Anmeldegespräche anstellen, strukturelle und räumliche Trennung von Ambulanz und Kreißsaal herbeiführen/anregen/durchsetzen.

Ein Online Anmeldesystem zur Terminvergabe und Kursanmeldung einführen.

3. Tipps zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes

Das Hebammenteam und der Krankenhausträger können Maßnahmen vereinbaren, damit neue Kolleginnen für das Team gewonnen werden können. Möglich wäre auch, dass die Kolleginnen aus dem bestehenden Team gesonderte Gratifikationen aushandeln und erhalten.

Folgende Angebote sind denkbar:

  • Begrüssungsgeld für neue Kolleginnen (Sonderzahlungen),
  • übertarifliche Zusatzvergütung von Bereitschaftsdiensten,
  • übertarifliche Zusatzvergütung von Rufbereitschaftsdiensten,
  • Notfallsimulationstraining als Fortbildung,
  • Einarbeitungskonzept erstellen,
  • Unterstützung bei Fortbildungen (Freistellung),
  • Supervision für das Team,
  • Betreuungsmöglichkeiten für Kinder anbieten/schaffen,
  • Hilfe bei der Wohnungssuche für neue Kolleginnen vereinbaren,
  • Finanzielle Unterstützung bei den Umzugskosten zusagen,
  • Hebammen die kostenfreie Nutzung von Klinikräumen bspw. fü rGeburtsvorbereitungskurse anbieten.

4. Gefahrenanzeigen

Sollten in Ihrem Kreißsaal Situationen auftreten, in denen keine sichere Betreuung von Mutter und Kind möglich ist (bspw. wegen Überschreitung der täglichen Arbeitszeit oder defekten Geräten etc.), nutzen Sie das Instrument der Gefahrenanzeige. Die Beschäftigten in einer Klinik sind nach § 15 und §16 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für Sicherheit und Gesundheit Ihrer selbst und der Patienten dem zuständigen Vorgesetzten zu melden. Dieser Pflicht sollten Sie unbedingt nachkommen, damit Sie im Schadensfall nicht zur Verantwortung gezogen werden können. eitshilfen).

5. Nützliche Links:

www.hebammenverband.de/mitgliederbereich/klinische-arbeit/angestellte-hebammen
www.hebamme-im-kreißsaal.de

Erstellt im September 2018 verantwortlich: Ausschuss „Angestellte Hebammen“ der Landesvorsitzenden im DHV

Best Practice Ideen aus anderen Kreißsälen

  • Arbeitsteilung mit schwangeren Kolleginnen
  • 24/7 Reinigungskräfte
  • Reinigungskräfte übernehmen hebammenfremde Tätigkeiten (Betten beziehen, Schränke auffüllen, Bestandskontrolle)
  • Haustechnik übernimmt Gerätewartung (BZ- Gerät, Astrup, etc.)
  • Kreißsaalkoordinatorin für große Abteilungen einrichten

Die wichtigste Erkenntnis aus der Befragung der angestellte Hebammen:

Hebammen bleiben aufgrund des Teams und der Teamzugehörigkeit an ihren Arbeitsstellen

  • Stellenanzeigen überarbeiten
  • Unbefristete Arbeitsverträge anbieten
  • Festes Mentoring vereinbaren
  • Einarbeitungsplan entwerfen
  • Klare Verfügbarkeiten aushandeln (Einspringlisten)
  • Auszubildende „auf Händen tragen“ und von vorneherein als festen Teambestandteil integrieren
  • Rotation ermöglichen
  • Hardwareausstattung der Kreißsäle verbessern (Telefonanlagen Klingelanlagen, Computer) für bessere Administration und Dokumentation
  • Stationäre Laptops in jedem Kreißsaal zur Dokumentation
  • Kreißsaalklingel über Telefon schalten, eine Person ist dafür zuständig
  • Online Terminkalender anbieten
  • Telefonnummer für Geburtsanmeldung/Kursanmeldung anbieten
  • Onlineformulare zur Verfügung stellen zum download, evtl.vorab ausfüllen lassen
  • Strukturierte Übergaben mit Übergabebogen, Tagesordnung und Zeitwächterin
  • Klärung der Arbeitsfelder
  • Regelmäßige interdisziplinäre Notfallfortbildungen, anfangs von extern geleitet
  • Fortbildungsmaßnahmen im Haus organisieren
  • Supervision für einzelne und Teams regelmäßig anbieten
  • Moderationszuschlag DHV beantragen, Projektgruppen bilden
  • Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten und finanzieren, damit die Kolleginnen für eine Zeit ans Haus binden
  • Fachfremde Tätigkeiten auslagern
  • Mentoring von jung zu alt und umgekehrt
  • Mentorin jeder neuen Kollegin fest zuweisen
  • Geburtsleitung zu zweit
  • Sectiotage planen
  • Hebammenzusatzdienste für feste Termine einplanen
  • Problemzentrierte Hebammensprechstunden anbieten
  • Akupunktursprechstunden im Haus anbieten
  • Strukturierte Einarbeitungszeit der Assistenzärzte durch Hebammen vereinbaren
  • Ausbildung von Simulationsinstruktorinnen
  • Online Dienstplanung verfeinern
  • Parallele unterschiedliche Schichtlängen ausprobieren
  • Sabatticals einführen, z.B. 9 Monate voll arbeiten, 3 Monate frei
  • Kinderbetreuung organisieren (24/7) und ambulante Betreuung kranker Kinder organisieren
  • Pausen planen
  • Essen bereitstellen
  • Personalisiertes Geschirr bereitstellen
  • Personal genau nach Arbeitsvorstellungen befragen (Moderationszuschuß)
  • Geburtshilfliche Standarts überarbeiten
  • Interdisziplinär Qualitätsstandarts festlegen und messen
  • Ziele setzen (Hebammenkreißsaal, wieviele aufrechte Geburten, Wassergeburten)
  • Gründung von Projektteams mit klarem Auftrag
  • Fehlerkultur einführen und leben: Nicht wer, sondern was ist schuld?
  • Feststehendes Frei etablieren
  • Gefährdungsanzeigen aktiv unterstützen
  • Teambildende Maßnahmen
  • Teamarbeit leben, keine Spaltung zulassen

(Andrea Ramsell, DHV-Beirätin für den Angestellten Bereich)